Verhandlungsspiele Interview
Interview Verhandlungsspiele – Ulrike Knauer
Wie Sie unfaire Verhandlungsspiele geschickt durchschauen und entsprechend kontern
Vertriebsexpertin Ulrike Knauer verrät im Interview, warum die Unsitte „unfaire Verhandlungsspiele“ einfach nicht auszurotten ist und wie Verkäufer trotzdem geschickt und souverän die Oberhand behalten …
Frau Knauer, was sind Ihre persönlichen Erfahrungen aus dem Vertriebs-Alltag betreffend das gefürchtete Thema Verhandlungsspiele. Gibt es tatsächlich immer noch Einkäufer, die sich dieser Masche bedienen?
Oh ja, die gibt es, und zwar in einem größeren und vor allem subtileren Ausmaß, als sich vor allem junge Menschen, die in die Vertriebswelt erst eintreten, dies vorstellen können. Wer da nicht entsprechend gewappnet ist, geht gnadenlos unter. Deswegen ist es mir immer ein besonderes Anliegen, auf diese unfairen Vorgehensweisen klar hinzuweisen. Das Hauptziel eines Verkäufers muss es sein, in allen seinen Verhandlungen die Augenhöhe aufrecht zu erhalten. Denn diese Machtspiele – wie auch immer geartet sie sein mögen – resultieren stets im Verlust der Augenhöhe. Es ergibt sich auf diese Weise eine totale Schieflage in der Balance zwischen den Verhandlungspartnern. Wer es als Verkäufer schafft, diese Augenhöhe rasch wieder herzustellen und sich so den Respekt seiner Gegenüber zu sichern, kann trotz einer brenzlig erscheinenden Ausgangslage noch immer einen gewinnbringenden Abschluss erzielen.
Warum greifen Verhandler und Einkäufer auf diese Praktiken zurück? Sollten nicht langsam Fairness und Achtsamkeit auch im harten Vertrieb sich durchsetzen?
Mehr Bewusstheit und Fairness beim Verhandeln wären natürlich wünschenswert und sind teilweise auch schon gegeben. Trotzdem, in den meisten Fällen ist so eine Verkaufsverhandlung heute eine reine Machtdemonstration. Das Ziel dabei ist immer die Destabilisierung des Verkäufers, seine totale Verunsicherung, um ihn mürbe zu machen und im Endeffekt noch bessere Konditionen zu erreichen. Viele Einkäufer und Einkaufsabteilungen verfügen dazu über eine ganze Trickkiste an „Machtmaterial“, das sie je nach Situation und Verkäuferpersönlichkeit einsetzen.
Wie können diese „dunklen Tools“, die Verhandler da aus ihrer Trickkiste ziehen, denn aussehen?
Das kann beispielsweise bereits bei der Terminvereinbarung beginnen. Viele Unternehmen sind Meister im Termine verschieben, weil immer „irgendeiner der wichtigsten Player“ in diesem Gespräch plötzlich nicht verfügbar ist. Der Verkäufer muss seine eigene Agenda also ständig verändern und gerät dadurch automatisch schon in eine schwächere Position, bevor die Verhandlung auch nur begonnen hat. Dieses subtile „Herabsetzungs“-Spiel geht dann oft damit weiter, den Verhandlungspartner beim Eintreffen in dem Unternehmen absichtlich lange warten zu lassen – was natürlich nervlich zermürbt. Wer 40 Minuten oder länger auf das Verhandlungsteams warten muss, kommt sich schnell als Bittsteller vor und geht bereits mit diesem mentalen Minus in die Verhandlung.
Und wie sieht es dann während der Verhandlung aus? Auf welche Praktiken des Einkaufs-Teams sollten sich Verkäufer mental einstellen?
Was ich selber öfters erlebt habe, ist das „Gefrierfach“, wie ich das nenne. Ich kam z. B. in einem leichten Leinenkostüm bei einer Außentemperatur von 38 Grad in dem Unternehmen an und wurde in ein Eishaus von Meetingraum geführt. Die dort bereits versammelten „Verhandlungsgegner“ trugen warme Sakkos und Westen, manche sogar Schals. Die konnten natürlich lange in dieser Temperatur ausharren. Das Ziel dabei ist es natürlich, den Verkäufer so ins Zittern zu bringen, dass er rasch bereit ist den gewünschten Preisnachlass zu geben.
Beliebt ist auch die Variante, die zum Meeting geladenen Verkäufer direkt mit dem Rücken zur Tür zu platzieren. Diese Tür geht dann ständig auf- und zu und erzeugt permanente Unruhe im Rücken des Sitzenden. Wenn dann noch gegenüber am Tisch die Mannschaft des anderen Unternehmens wie eine Armada aufgereiht ist und den armen Verkäufer feindselig starr fixiert, ist eine gewisse Destabilisierung kein Wunder. Ebenso aus der Bahn werfen können zu viele und zu rasche Fragen aller Verhandlungsteilnehmer gleichzeitig, die wie Wurfgeschosse auf dem geplagten Verkäufer aufprallen, sodass er gar nicht weiß, wo er zuerst hinhören oder worauf er antworten soll.
Was können Verkäufer in dieser Situation denn nun tun?
Sie sollten sich klar und sehenden Auges bewusst machen, dass es „den anderen“ nur darum geht, sie in eine permanente Stresssituation zu versetzen und dort zu halten, damit ihr Reptiliengehirn übernimmt.
Und genau dieses müssen wir als Verkäufer jetzt überlisten!
Derartigem Stress ausgesetzt gibt es meist den klaren Befehl zur Flucht! Rasch flüchten kann ein Verkäufer aber nur dann, wenn er die Konditionen, die man ihm aufzwingen will, annimmt. Er braucht nur „Ja“ zu sagen. Damit ist der Weg frei nach draußen, in die Wärme, weg von der feindlichen Umgebung. Erfolgreiche Verkäufer wissen, dass sie genau jetzt alle ihre Kräfte mobilisieren und diesen Fluchttrieb unterdrücken müssen. Aber auch Anfänger in diesem Spiel können sich hier sehr bewusst dazu erziehen und sich ganz fest vorzunehmen, ihr eigenes Gehirn auszutricksen und zu bleiben. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!
Können Sie unseren Lesern konkrete Beispiele geben, wie Verkäufer diese Machtspiele entsprechend abfedern und die Augenhöhe wieder herstellen?
Es ist im Grunde gar nicht so schwierig, diesen Machtspielen souverän entgegenzutreten. Verkäufer brauchen dazu nur etwas „Chuzpe“, also den Mut, sich den vermeintlichen Gegnern in den Weg zu stellen. Sie können auch gar nichts verlieren, aber nur gewinnen, wenn Sie hier nicht das willige Opfer geben! Ich empfehle Verkäufern, die lange warten mussten, diese Zeit zu nutzen, um sich bewusst geistig zu sammeln und alle ihre inneren Kräfte zu mobilisieren. Dadurch sind sie imstande, die verspäteten Verhandlungspartner locker lächelnd und lässig zu begrüßen. Wenn Sie so agieren, strahlen Sie große Souveränität aus und Ihre Haltung wird eindeutig transportieren: „Ihr könnt mich so lange warten lassen, wie Ihr wollt. Ich bin stark und bereit“.
Augenhöhe herzustellen ist gar nicht so schwer! Es geht einfach nur darum, pro-aktiv zu werden und sich nicht schweigend unterbuttern zu lassen. Wenn Ihnen der zugewiesene Platz nicht gefällt, wechseln Sie ihn einfach. Aufstehen reicht bereits oft, um wieder in die eigene Kraft zu kommen. Sollte das nicht möglich sein, weil kein anderer Platz frei ist, nehmen Sie auf Ihrem Stuhl eine neue, kraftvolle Haltung ein. Das bleibt Ihren Gesprächspartnern sicher nicht verborgen. Bitten Sie um die Wiederholung der Fragen, die Ihnen da so unhöflich an den Kopf geworfen wurden, und steuern Sie selber durch geschickte Gegenfragen! Wenn der Druck von der anderen Seite zu hoch wird, bitten Sie um eine Pause. In der Zeit, in der Sie im Waschraum weilen, fällt die kriegerische Spannung der anderen in sich zusammen, der Druck weicht und muss neu aufgebaut werden. Bis dahin sind Sie wieder zurück, neu gestärkt durch diese Pause und mehr als bereit, wieder „in den Ring“ zu steigen.
Was uns jetzt unbedingt noch interessiert: Wie haben Sie selber auf das „Gefrierfach“ reagiert?
Dies ist mir Gott sei Dank das erste Mal passiert, als ich nicht mehr ganz neu im Verkauf war und schon einige Erfahrung hatte. Ich wusste sofort, ich musste diesen Zustand sehr pro-aktiv ansprechen und dann zügig handeln. Ich setzte also mein charmantestes Lächeln auf und sagte: „Sie alle lieben es wohl kühl, wie ich feststelle. Das ist sicher gesund, aber so gar nicht meine Wohlfühl-Temperatur. Ich gehe kurz zu meinem Auto und hole mir meine Strickweste. Ich bin sofort wieder zurück“. Damit habe ich den Machtspieß umgedreht, das Drehbuch zu meinen Gunsten umgeschrieben – denn die anderen mussten nun auf mich warten! Ich hingegen konnte mich in der Sonne wieder aufwärmen und sammeln. Gott sei Dank hatte ich tatsächlich eine Weste im Wagen, sonst hätte dieses Szenario nicht funktioniert. Als ich in den Meetingraum zurückkehrte, war die Augenhöhe sofort wieder da, sie stand fast körperlich greifbar im Raum! Meine Verhandlungspartner hatten verstanden: Hier saß kein langsam einfrierendes, schwaches Wesen, sondern eine pro-aktive Geschäftspartnerin mit Biss! Dementsprechend gelang mir an diesem Tag ein sehr zufriedenstellender Abschluss!
Es gibt aber doch sicher Verhandlungen, bei denen nach einiger Zeit klar wird, hier geht gar nichts mehr. Wie können Verkäufer dann das Ruder noch zu ihren Gunsten herumreißen?
Ja, dieses Gefühl des „rien ne va plus“ kommt immer wieder vor. Wenn Sie klar spüren, dass die Front Ihnen gegenüber zu mächtig ist, dann sprechen Sie das direkt an und sagen: „Ich habe das starke Gefühl, dass wir heute nicht weiterkommen. Ich schlage vor, wir vereinbaren einen neuen Termin. Ich verabschiede mich jetzt.“ Dazu beginnen Sie Ihre Unterlagen zu packen. In den meisten Fällen wird dies den Unterschied machen und Sie werden aufgefordert, zu bleiben. Falls man Sie gehen lässt, haben Sie absolut nichts verloren, dann hätten Sie an diesem Tag sowieso keinen Abschluss gemacht. Wichtig und ein klares Signal ist aber, Sie haben Stärke gezeigt und für sich selber eine Entscheidung getroffen. Das werden Ihre Gesprächspartner sehr wohl wahrnehmen und Sie das nächste Mal gleich respektvoller behandeln.
Was ist Ihr ultimativer Tipp zum Ende dieses Interviews?
Ich empfehle Verkäufern, in solchen Situationen nie die Tatsache zu vergessen, dass sie ja zu dem Gespräch eingeladen wurden, weil sie oder ihr Unternehmen ein Produkt oder eine Dienstleistung anbieten, das die Verhandlungspartner gerade brauchen. Machen Sie sich diese Tatsache immer intensiv bewusst, bevor Sie in Ihre nächste Verhandlung gehen, er ist eine starke mentale Stütze!
Grundsätzlich gilt: Verkäufer sind „der Gegenseite“ niemals hilflos ausgeliefert. Wichtig ist nur, diese Verhaltensweisen sehr zeitig als eine gezielte Taktik zu identifizieren, die Sie schwächen soll. Was auch immer passiert, lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Bleiben Sie so sehr in Ihrer Mitte und authentisch wie möglich! Wer diese Anregungen beachtet und umsetzt, den wird kein Machtspiel der Welt langfristig aus der Bahn werfen können.
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